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Das Projekt:

Mustangs direkt aus der Wildnis, ein Trainer, mehrere Schüler, Kommunikation durch Körpersprache, Hilfsmittel nur wenn die Sicherheit es nötig macht, aber nie fürs Training. 

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Das Ziel:

Wie weit kann man die Reitkunst entwickeln, wenn man ausschliesslich Körpersprache benutzt?

Das Einfache wertschätzen

Diese Woche hat mich Atlas zum allerersten Mal berührt. Es war unglaublich, wie viel Mut er zusammengenommen hat, diese letzten Zentimeter zu überwinden und mit seiner Nase meine Finger zu berühren. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt über hundert Stunden in „zusammen sein“ investiert, in einem Abstand, der sich für ihn gut angefühlt . Wir haben langsam und vorsichtig die Art und Weise und die Orte, wo und wie wir zusammen sein können, aufgebaut. An manchen Tagen habe ich mich gefragt, ob er jemals mutig genug sein würde, mich zu berühren. Vielleicht war dieses Zusammensein mit dem Sicherheitsabstand, das Einzige was er je zulassen kann.

 

An manchen Tagen, wenn ich besonders frustriert über das fehlende Vertrauen meiner beiden Hengste war, trat ich ein bisschen kürzer und besuchte Myrnah und Cleo, vergrub mein Gesicht in ihren Mähnen und spürte das süße, weiche, dichte Fell unter meinen Fingern. Erinnerte mich selbst an die Zeit, die es braucht, in der sich alles entwickelt, und daran, dass ich Atlas und Ari Zeit geben muss, denn sie werden nicht immer so bleiben, wie sie jetzt sind. Mit guten Gefühl und gutem Timing von mir, werden sie mit der Zeit lernen, das Menschen in ihrer Nähe eine gute und wunderbare Sache sind.

 

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An dem Tag, an dem Atlas mich endlich berührte, hat er mich vorher sehr lange angeschaut, mit gespitzten Ohren, und seine Nüstern flatterten leicht, wenn er meinen Geruch einatmete. Meine Hand war in seine Richtung und sein Hals in meine ausgestreckt. Dieses nacheinander ausstrecken ist etwas, das ich mit ihm entwickelt habe. Dabei habe ich immer seine Komfortzone respektiert und ihn mit einem noch einfacheren Abstand von mir belohnt, bevor seine Neugier, sein Mut und sein Interesse in mich abflaute.

In diesem besonderen Moment, es war am Ende des Tages und fast dunkel, kurz bevor ich meine Hand zurückziehen und mich zurück auf meinen Aussichtspunkt einige Pferdelängen von Atlas entfernt zurückbewegen wollte, streckte er sich ganz mutig etwas mehr aus und berührte meine Finger mit der Brücke zwischen seinen Nüstern.

 

Sobald Atlas bemerkte, dass seine Nase wirklich meine Finger berührte, nahm Panik überhand und er sprang in einer dramatischen Explosion seiner Körperteile von mir weg, ein Kickstart, der ihn weit weg von dieser neuen Sensation brachte. Ich bewegte mich auch, in einem langsamen steten Rhythmus, in Kreisen um ihn herum auf der Suche nach dem nächsten Ort, an dem wir gemeinsam Harmonie finden konnten.

 

In seinem plötzlichen Anfall von Mut hat Atlas zu früh zu viel versucht, und das hat ihn erschreckt.

 

Wir nahmen uns ein wenig Zeit, Dinge zu tun, in denen er gut war, und zusammen zu sein auf eine Art und Weise, in der er sich gut fühlt. Kurz vor Ende der Session kehrten wir dazu zurück, diese kleinen Momente zu üben, in denen ich mich nach ihm ausstrecken konnte, während er nach mir schaute, so dass ich dann mit angemessenem Timing in eine für ihn leichtere und angenehmere Distanz weichen konnte, so lange sein Mut und seine Neugier noch stark waren. Ich glaube das ist eines der größten Geschenke von Freedom Based Training®. Die Notwendigkeit das Einfache in einer Beziehung mehr  zu schätzen als das nach vorne Drängen und Fortschritte in Neuem und Interessantem.

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Ich glaube das ist eines der größten Geschenke von Freedom Based Training®. Die Notwendigkeit das Einfache in einer Beziehung mehr  zu schätzen als das nach vorne Drängen und Fortschritte in Neuem und Interessantem.

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Wenn wir Hilfsmittel wie Belohnung durch Futter, Halfter, Flaggen oder Zäune haben, gegen die wir ein Pferd schicken können, wird das Pferd mehr Zeit in Unbehagen aushalten, als wenn wir diese Hilfsmittel nicht haben.

Weil das Pferd unbedingt den Apfel oder die Möhre haben möchte, wird es sehr versuchen im Unbehagen des Lernens auszuhalten, da diese Aktion notwendig ist, um diese Belohnung zu bekommen. Weil das Pferd ein Halfter hat und weiß, dass es nicht weggehen kann, wird es mehr versuchen, das Unbehagen etwas Neues zu Lernen zu tolerieren, so dass der Druck nachlässt und das Leben sich wieder leichter anfühlt. Pferde werden durch von außen wirkende Dinge motiviert, ihre Komfortzone auszudehnen und das Unbehagen des Lernens zu tolerieren und wachsen daher schneller als sie sich das vielleicht auf natürlichem Wege aussuchen würden.

 

Mit Freedom Based Training® sind wir aber in einer Welt, in der das Pferd mal mehr und mal weniger Druck empfindet, aber der einzige Weg die Toleranz von Unbehagen zu belohnen, ist mit der Leichtigkeit von Flow und Harmonie zwischen Pferd und Mensch, die oft erst danach kommt. Dies erlaubt dem Pferd mehr Raum zum Nachdenken über eine freiwillige Teilnahme an jeder Aktivität.

 

Mit Freedom Based Training® haben wir hunderte Stunden investiert in alles, was gemeinsam einfach ist, so dass das Pferd in das Bewusstsein hineinwächst, dass es sich gut anfühlt in einer Beziehung mit uns zu sein. Nur auf dieser Basis kann das Pferd lernen, die Momente des Lern-Unbehagens zu tolerieren, und mit der Zeit wird das Pferd Akzeptanz für das Lern-Unbehagen entwickeln. Und dann, mit noch viel mehr Zeit, wird das Pferd beginnen, sich auf das Lernen zu freuen und Spaß daran haben, weil es interessanter ist als alle Dinge, die das Pferd bereits kennt.

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Also müssen wir zuerst in einfache Dinge investieren.

 

Bei Atlas und Ari bin ich dazu verpflichtet, zuzuhören was sie denken, was einfach und was schwierig ist. Angefangen habe ich außerhalb des Zauns stehend und ihrer Körpersprache Aufmerksamkeit schenkend. Bewegten sie sich von mir weg, oder auf mich zu? Wollten sie mehr Entfernung von mir oder weniger? Wie viele verschiedene Variationen von Zusammen können wir wieder und wieder und wieder erleben, die Atlas und Ari für einfach halten?

Über den Wert der einfachen Dingen wird im Pferdetraining nicht genug gesprochen.

Wir brauchen so viele Wiederholungen von einfachen Dingen, bis das Pferd beginnt, sich freiwillig für etwas zu interessieren.

 

Pferde fragen hoffentlich nach dem nächsten Bisschen, das sie lernen können innerhalb dessen, was sie tolerieren können. Wenn sie über das hinausgehen, was sie tun können, so wie Atlas als er mich das erste Mal berührte, müssen wir das Einfache wieder in Betracht ziehen, und wieder Vertrauen aufbauen mit dem Tun von einfachen Dingen.

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Im Fall Atlas habe ich mich dazu entschieden, ihn vorsichtig zu entschleunigen, so dass er sich nicht selbst wieder erschreckt. Wenn er sich nach mir ausstreckt, stelle ich sicher, das genug Luft zwischen uns ist und ich meine Hand zurückziehen kann, bevor er mich berührt.

Immer und immer wieder streckt sich Atlas nach mir aus und ich ziehe mich zurück, zu einem einfachen und komfortablen Abstand, bevor er mich berührt.

 

Ich strecke meine Hand nach Atlas aus, Atlas streckt sich zu mir, und dann, bevor seine Tasthaare meine Hand berühren, gehe ich selbstbewusst in einen Abstand, von dem ich weiß, dass er ihn als einfach empfindet.

 

Wird dies hundert oder tausend Wiederholungen benötigen, bevor wir fühlen, dass das Stresslevel niedrig genug ist, dass wir uns berühren können, ohne dass es Atlas Angst macht? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, was ich erreichen möchte.

 

Als Atlas mich das erste Mal berührte, wollte er mutig sein, aber seine Ohren und Augen waren ganz starr auf mich gerichtet in einer eingefrorenen Position, die mich wissen ließ, dass sein Gehirn nicht komplett im Denk-Modus war. Ich hatte nicht geplant, dass wir uns berühren, aber Atlas bewegte sich so schnell, dass ich keine Zeit hatte, ihn vor seiner vorschnellen Entscheidung zu schützen.

 

Lektion gelernt, kein wirklicher Schaden entstanden, jetzt bin ich noch vorsichtiger. Jetzt üben Atlas und ich uns näher zu kommen mit großen Pausen in komfortablem Abstand zwischen jedem Versuch etwas Neues zu wagen. Diese neue Sache, die wir tun, verlangt Respekt, weil es noch nicht einfach ist.

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Wir wissen, wenn etwas einfach wird, weil wir sehen, dass das Gehirn beginnt nachzudenken statt zu reagieren. Wir werden sehen, wie sich Augen und Ohren sanft bewegen, anstatt dass sie in einem Erstarren gehalten werden. Wenn das Gehirn eingefroren ist, ist es wahrscheinlich, das Fight oder Flight als Reaktion folgen, wenn das Gehirn nachdenkt, wird es einfach in Weichen oder Spielen übergehen.

 

Die Theorie ist mir bekannt, aber ich gebe gern zu, dass es für mich harte Arbeit ist, zu tun, was ich predige. Nach fünf Stunden Arbeit an einem Tag mit den Hengsten ist mein Gehirn oft matschig und ich möchte einfach nur, dass irgendetwas Interessantes passiert.Die einfachen Dinge fühlen sich langweilig an und ich möchte nicht immer und immer und immer wieder die gleiche Sache üben.

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Das ist die wirkliche Arbeit. Hier steige ich tief ein und lerne. Wie viele verschiedene Arten von Aufmerksamkeit kann ich üben, während die Hengste erleben, wie einfach es ist mit mir zusammen zu sein?

 

Es ist eine nie endende Reise, aber ich weiß, ich werde besser, je länger sie dauert. Diesen Film zu machen ist für mich eine große Motivation, das Unbehagen des Lernens zu tolerieren. Also gehe ich genau da hinein und beobachte, plane und übe alles, das einfach ist, in so vielen verschiedenen Varianten, wie mir eben einfallen. Ich muss an den Prozess glauben und die Arbeit machen, denn das ist es, wie ich lerne.

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Wenn Du Dich für mehr Details und Diskussionen zum Thema interessierst, in unserer Patreon Gruppe findet beides statt und wir würden uns freuen, wenn Du dabei bist.

 

https://www.patreon.com/tamingwild

 

Diese ersten Tage der ersten Berührungen mit den Hengsten sind auf ihre eigene Weise wertvoll, auch wenn ich zugleich von all dem dynamischen und interessanten Lernen, das noch vor uns liegt, träume – natürlich nur, wenn Atlas und Ari dazu bereit sind.

 

Hufe und Herzschläge,

Elsa

TamingWild.com

 

 

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