Das Projekt:
Mustangs direkt aus der Wildnis, ein Trainer, mehrere Schüler, Kommunikation durch Körpersprache, Hilfsmittel nur wenn die Sicherheit es nötig macht, aber nie fürs Training.
Das Ziel:
Wie weit kann man die Reitkunst entwickeln, wenn man ausschließlich Körpersprache benutzt?
Ari’s Wahl
Diese Woche kam mit den Hengsten alles so zusammen, wie ich es mir erhofft hatte. Mein Tipp an mich selbst: besser zufrieden mit den Aktivitäten sein als ungeduldig mit dem Zeitplan.
Ich stelle fest, dass meine Erfahrung mit Myrnah während dem ersten Filmdreh, meine Erwartung an den Zeitplan beeinflusst hat und dieser komplett anders ist, als der, den ich jetzt mit Ari und Atlas lebe. Jetzt lebe ich, was ich predige und lasse die Pferde den Zeitplan für den nächsten Schritt bestimmen.
Vertraue dem Prozess, Elsa!
Ari ist nun seit ein paar Wochen hier, und ganz ehrlich, ich dachte, wir wären viel weiter als wir im Moment tatsächlich sind. Ich finde ihn toll und seine Entscheidungen zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht, aber Wow, er hat eine Menge Meinungen und viele Entscheidungen zu treffen. Meistens scheint es, dass er einfach nur möchte, dass ich ihm aus dem Weg gehe, so dass er die Dinge tun kann, die er geplant hat. Ich weiß nicht wie viel daran liegt, dass er ein acht Jahre alter Hengst ist, den ich mit einer vier Jahre alten Stute, Myrnah, vergleiche. Oder wie viel davon seine Persönlichkeit ist, in all ihrer einzigartigen, dynamischen Schönheit, auf Grund dessen ich ihn ausgewählt habe. Er wird mich viele Dinge lehren, da bin ich mir sicher.
Im Prozess von Freedom Based Training® starte ich mit jedem Pferd mit einer Meditation, an allen Positionen in allen möglichen Abständen um das Pferd herum. Indem ich das tue, studiere ich Gefühl und Timing, wann es für mich am besten ist, von einer Position in die nächste zu wechseln. Das ist Lernen von passiver Führung.
Dann beginne ich mehr und mehr Bewegung um das Pferd herum hinzuzunehmen, mit dem Ziel, ihm zu helfen, sich besser zu fühlen, bevor ich zur ursprünglichen Übung zurückkehre. Das ist Lernen von unterstützender Führung.
Sobald ich die Grundlage von diesen beiden erarbeitet habe, kann ich beginnen, das Pferd zu bitten, Dinge zu tun, die ich im Kopf habe. Das ist Lernen von bestimmender Führung.
Wenn meine Anfrage an das Pferd signifikantes Unbehagen zwischen dem Zeitpunkt der Frage und dem Zeitpunkt, an dem es ja zu mir sagt, auslöst, treten wir in den Bereich des Lernens von insistierender Führung.
Wenn meine Anfrage an das Pferd ein Verhalten von Kampf, Flucht oder Erstarren auslöst, dass ich kontrollieren, managen oder gezwungen bin zu ändern, dann treten wir in den Bereich von dominanter Führung. Hier benötigen wir normalerweise ein Hilfsmittel, um das Pferd zu managen (ein Seil, eine Belohnung, einen Zaun oder irgendetwas anderes, dass wir benutzen können und das motivierender ist, als einfach nur unser Körper).
In Freedom Based Training® und in diesem Filmprojekt “Taming Wild: Evolution” mit den Hengsten, geht es um den Prozess, eine Beziehung zum Pferd durch Führung im Bereich zwischen Passiv und Insistent zu entwickeln, ganz einfach, weil wir uns gegen Hilfsmittel entschieden haben, die uns erlauben würden, effektiv dominant zu sein.
Wenn wir Dominanz nicht einsetzen können, müssen wir lernen, das Pferd besser zu lesen und unser Entscheidungsprozess als Trainer wird auf ein ganz neues Level gestellt.
Während ich den ersten Film mit Myrnah drehte, stellte ich fest, dass ich in diesem einen Jahr mehr über das Training von Pferden gelernt habe, als in all den 30 Jahren zuvor. Ich habe keinen Zweifel, dass dieses Jahr mit den Hengsten ähnliche Auswirkungen auf mich haben wird. Die Erfahrung von Training ohne jegliche Gedanken daran, zu dominieren, bringt mich in eine Position, in der ich jedes winzige Detail von Ursache und deren Auswirkung studieren muss, auf einem Level von Feinheit, dass wir Trainer oft übersehen, wenn wir ein Ergebnis durch Dominanz erzielen.
Ari schärft wirklich meine Fähigkeiten als Trainer und in diesen letzten Wochen kann ich fühlen, dass die Arbeit für mich ganz besonders in der Ermüdung meiner Geduld liegt. Mein Gehirn wird müde, wenn Ari und ich langsamer zu sein scheinen, als ich denke das wir von einem Grad des Verstehens zum nächsten sein sollten. Das passiert genau dann, wenn der ungeduldige Teil in mir die Details wegwischen möchte und ich in Richtung zählbare Ergebnisse pusche. So funktioniert Freedom Based Training® nicht. Ich muss mir genauso lange Zeit nehmen, wie Ari mir sagt, dass er braucht und jedes kleine Detail Ursache und Auswirkung wahrnehmen, dass er mir zeigt. Alle Details sind eine Möglichkeit, etwas mehr zu lernen.
In den ersten paar Tagen haben Ari und ich das komfortable Gefühl in passiver und unterstützender Führung gefestigt. Als ich angefangen habe, ihn nach einer bestimmten Aktion zu fragen, hat er diese schnell umgesetzt, unter dem Vorbehalt, dass er sofort herausgefunden hat, dass er mich auch nach Dingen fragen kann. So wurde meine Geduld geschärft, und das war auch das, wo er sich deutlich von Myrnah im ersten Projekt unterschied.
Ari konnte ich bitten, sich nach mir auszustrecken und meine Hand zu berühren, seinen Fokus zu verändern und sich mit mir zu verbinden. Ari hat dies so schnell gelernt und so schnell einfach ja dazu gesagt, und dann hat er die gleiche Frage an mich gestellt.
Er fand heraus, wenn er sich nach mir ausstreckte und fragte, ob er meine Hand berühren durfte, würde ich die Dinge für ihn einfacher machen und er mag einfacher. In diesem Fall war einfacher, dass ich weiter weg stand als in Berührungs-Abstand, am besten eine Pferdelänge weit weg.
Ari war halbwegs zufrieden mit mir in seiner Nähe, nah genug, um ihn zu berühren, aber er bestand darauf, dass ich ihn nicht wirklich berührte. Mich zu bitten, weiter weg zu stehen, fühlte sich deshalb besser für ihn an. Wenn ich zu viel Druck machte, nutzte er gerade genug Kampf oder Flucht, um mir zu erklären, dass er nicht bereit war für Berührung und das musste absolut respektiert werden.
Vor zwei Wochen ließ Ari mich für ein paar Momente nah an sich herankommen, bevor er mich wieder und wieder höflich fragte, zurückzutreten.
Ich begann Angst zu haben, dass ich niemals das Band von seinem Hals abnehmen könnte und wir für immer in dieser Sackgasse stecken würden. Es fühlte sich nicht wirklich an, als würden wir keine Fortschritte machen, denn ich konnte in seinen Augen und im Rhythmus seiner Bewegungen sein Vertrauen in mich wachsen sehen. Aber Berührung war nicht möglich und es schien, als könnte ich dies ohne Hilfsmittel nicht ändern. Deshalb machten wir einfach weiter mit den Dingen, die wir zusammen tun konnten, während ich zusah, wie Ari in der Freude über sein neues Zuhause weiter aufblühte.
Ganz unerwartet änderten sich die Dinge eines Tages und Ari war plötzlich bereit, sich von mir berühren zu lassen.
Ich stand lange ganz nah bei ihm und er streckte sich nicht nach mir aus, um mich zu fragen zurückzutreten. Deshalb hielt ich meine Hand unter seine Nase, um ihm die Chance zu geben, mich zu bitten, zurückzutreten, aber er tat es nicht. Vorsichtig hob ich meine Hand zu seiner Wange, um sie langsam zu streicheln und dann sofort zu seiner Nase zurück, um zu sehen, ob er mich berühren möchte, damit ich zurücktrete. Aber er tat es wieder nicht. Ari ließ mich ihn mehrfach streicheln ohne ein einziges Anzeichen von Kampf oder Flucht, bis er endlich seine Nase sanft gegen meine Finger drückte und mir sagte, dass er genug Nähe hatte und bereit ist für einen einfacheren Abstand zwischen uns.
In diesem Moment schmolz die Barriere zwischen uns und Schritt für Schritt wurde das Berühren etwas, dass wir zusammen tun konnten.
Am nächsten Tag ließ Ari mich das Band um seinen Hals abnehmen und ich atmete erleichtert durch. Wir konnten dies tun und während Ari mich herausforderte, zu Lernen und zu Wachsen, und geduldiger zu sein als ich es gewohnt war, bat er mich um nichts Unzumutbares. Ich musste einfach dem Prozess vertrauen und seinen Zeitplan akzeptieren.
Am selben Tag, an dem ich Ari das Band abnahm, ließen wir ihn und Atlas zusammen raus. Alle Tore zu öffnen und ihnen das ganze Feld zu überlassen, war für mich besser als Weihnachten. Pferde verdienen Freunde und Freiheit und sie in Freiheit mit Freunden weiden zu sehen ist einfach großartig.
Sicherheit steht für mich an erster Stelle, also gab ich den Hengsten in ihren ersten Wochen hier Zeit, ihre Bewegungen von der anderen Seite des Zauns zu spiegeln und kopieren. Sobald ich sah, das sie Seite an Seite in gleicher Körperhaltung mit dem Zaun zwischen ihnen gemeinsam ruhten, wusste ich, dass sie bereit waren für mehr Freiheit miteinander, ohne Risiko sich zu verletzen.
Ganz einfach und nur mit ein bisschen Chaos waren sie die ganze Zeit zusammen, fraßen für Stunden Heu vom selben Heunetz, tranken, spielten und bewegten sich zusammen.
Ari und Atlas müssen immer noch das ein oder andere Dominanzspiel spielen, und quietschen, treten und steigen, wie Hengste das eben tun, aber es scheint in einem vernünftigen Rahmen und etwas zu sein, mit dem sich alle wohl fühlen.
Jetzt beginnt für mich und die Hengste ein neues Kapitel. Wir werden alle gemeinsam voneinander lernen. Ich verspreche, ich halte euch auf dem Laufenden, wie wir vorankommen.
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Hufe und Herzschläge,
Elsa